Zwetana Penova,
Service & Product Design

Neues Co-working und Veranstaltungsort in Berlin - SUPERMARKT

Published September 26, 2012

Was passiert, wenn drei digitale Nomaden sesshaft werden? Sie suchen sich ein geräumiges Zuhause, das viel Platz für Experiment und Austausch und Überraschung bietet. Zur Besuch beim free culture department store-SUPERMARKT-Berlin.

Brunnenstraße in Berlin-Wedding. Vor einer Weile ist mir aufgefallen, dass die seit Jahren leerstehenden Ladenräume unweit der Bernauer Straße neu belebt werden. Jährliches Weddingdress war ein viel zu kleines Intermezzo, um den Eindruck der Verlassenheit zu verjagen. Aber nun beobachtete ich Bewegung rund um die Brunnenstraße, die etwas Regelmäßigkeit versprach. Ist Wedding nun wirklich im Kommen? Eigentlich interessiert mich das viel weniger, als zu verstehen, was es mit dem Projekt SUPERMARKET auf sich hat. Vor zwei Wochen traf ich mich mit Kuratorin Ela Kagel, um darüber mehr zu erfahren.

Supermarkt?

Free culture department store im Brunnenviertel – so die Vision von drei SUPERMARKT-Gründen. Free wird vor allem als offen verstanden. Offen für Menschen, die hier ihr Wissen und ihre Ideen mit Anderen austauschen möchten. Die Form ist variabel – als Workshop, Symposium oder Ausstellung. Free aber auch als ökonomisches Merkmal – das Geld soll keine Eintrittsbariere werden. Store, also Supermarkt, baut wiederum die Brücke zu geschlossenen Modellen – Labels, Marken und Institutionen, die hier auch präsent sein können.

Message?

Verleihung der Wikipedia Zedler Preises oder Speed-Geeking mit Hivi-Berlin sind Beispiele dafür, welchen Austausch Supermarkt vorschwebt, um den freien Zugang zu Wissen und Information zu forcieren. Geprägt von der Open-Source-Kultur sehen die Veranstalter hier einen Raum, in dem aktuelles Wissen und Skills unmittelbar von Experten an Interessierte weitergegeben werden. Das Bildungssystem, verhaftet in starren Strukturen, erweist sich meistens als unbeweglich, was das Medienwissen in fluidem Lernprozess angeht.

Supermarkt-Berlin legt Wert darauf, ein Treffpunkt im Brunnenviertel zu sein. Bis jetzt gab es im Kiez noch kein vergleichbares Angebot. Die direkten Nachbarn profitiert nur sporadisch von den Veranstaltungen in dem Supermarkt, zu wenig Berührungspunkte zu viele Missverständnisse. Die „Supermarkt“-Betreiber sind geduldig und hoffen auf mehr Kontakte und Gespräche.

Businessmodell?

Diese höhere Ziele brauchen eine stabile finanzielle Grundlage. Freie Projekte werden mit EU-Mitteln finanziert. Die SUPERMARKT-Räume hat DEGEWO zu günstigen Konditionen vermittelt. Auch eigene Ersparnisse haben die drei Enthusiasten in die Renovierung einfließen lassen. Perspektivisch soll das Projekt finanziell auf eigenen Beinen stehen – die Studios sind verpachtet, die Workshop- und Ausstellungsräume können auch gemietet werden. Eine gute Espressomaschine wartet auf die Kaffeedurstigen.

Supermarkt und die Berliner Kulturlandschaft?

Die Diskussionen über Innovation und Progress der Berliner Start-up- und Medien-Szene sind, so Supermarkt, oft zu homogen. Es bewegt sich im immer gleichen Kreis – die Leute sprechen die gleiche Sprache, es entsteht keine Reibung, das kann die Innovation töten. Wenn alle den gleichen kulturellen Code benutzen und die gleichen Meinungen und Ansichten vertreten, entsteht keine Interaktion. Anders, wenn Menschen aufeinander treffen, die sich normalerweise nicht begegnen würden. In einem solchen Prozess wird die eigene Komfortzone verlassen und etwas nicht Vorprogrammiertes, eine Überraschung entsteht. Supermarkt möchte so ein offener Ort sein, an dem das Publikum sich nicht kuratieren lässt.

SUPERMARKT scheut sich nicht davor, aktiv am politischen Leben von Berlin zu partizipieren. sie kooperieren mit anderen Netzwerken und Initiativen in der Stadt, wie zum Beispiel dem Kreativquartier Südliche Friedrichstrasse. Auch politische Diskussionen rum um die GEMA und die Berliner Liegenschaftspolitik sind aktuell für SUPERMARKT.

Ich mag die eigenwillige Brunnenstraße auf der Weddinger Seite. Schön ist sie nicht, aber einmalig – großzügig angelegt reihen sich Prachtstücke der Nachkriegsarchitektur aneinander, dazwischen quetschen sich scheu hier und da ein paar alte Häuser. Die Brunnenstraße oberhalb der Bernauer hat hupende Autos und breite, schattige Fußwege, leckeren Börek und Eis, das fünfzig Prozent billiger ist als in Mitte. Die seit Jahrzehnten ansässigen Geschäfte – ein toller Bastellbedarf-Laden, ein russisches Reisebüro, ein Möbelgeschäft für Trash-Liebhaber – haben neue Nachbarschaft bekommen: Modelabels, Künstler und Designer. Die neuen Nachbarn schwappten aus den überteuerten Mitte und Prenzlauer Berg herüber, hieß es. Aber sie sind hier in der Brunnenstraße geblieben. SUPERMARKT-Berlin ist ein Ort, der groß genug ist, diese Heterogenität aufzunehmen. SUPERMARKT ist aber auch groß genug, um bei Bedarf die lokale Ebene zu verlassen. Schon in kürzester Zeit ihrer Existenz haben sie eine Menge Themen angesprochen. Das nächste Event im SUPERMARKT, das ich mir vorgemerkt habe, ist kulinarischer Natur – am 2. Oktober verwandelt sich der Raum in ein Pop-up-Restaurant. Das Menü hört sich sehr lecker an!